Weinbau im Vergleich: Nordrhein-Westfalen vs. Südsteiermark – Zwei Welten im Glas

Weinbau NRW vs. Weinbau Südsteiermark

Der Weinbau in Nordrhein-Westfalen und der Südsteiermark steht exemplarisch für zwei grundverschiedene Wege der Weinerzeugung im deutschsprachigen Raum. Während die Südsteiermark mit einer traditionsreichen und international renommierten Weinlandschaft aufwartet, befindet sich Nordrhein-Westfalen noch auf dem steinigen Pfad zur weinbaulichen Identität. Der folgende Artikel beleuchtet wirtschaftliche Strukturen, klimatische Voraussetzungen, Marktpotenziale und strategische Unterschiede zwischen diesen beiden Regionen – mit Fokus auf die Herausforderungen und Perspektiven im Kontext des Klimawandels und der regionalen Markenbildung.

Klimatische Ausgangslage: Chancen und Limitierungen im Weinbau

Die klimatischen Rahmenbedingungen bestimmen maßgeblich die Möglichkeiten und Grenzen des Weinbaus in einer Region.

Südsteiermark:
Das südliche Steirische Weinland profitiert von einem illyrisch geprägten Klima mit heißen Tagen und kühlen Nächten. Diese Temperaturamplitude fördert die Aromaausprägung, insbesondere bei weißen Rebsorten wie Sauvignon Blanc, Morillon (Chardonnay) oder Gelber Muskateller. Die Region verzeichnet im Jahresdurchschnitt rund 1.800 Sonnenstunden – ideale Voraussetzungen für den qualitätsorientierten Weinbau.

Nordrhein-Westfalen:
In NRW hingegen war Weinbau jahrzehntelang eher historisches Randphänomen. Der Klimawandel verändert dies schrittweise. Milde Winter und längere Vegetationsperioden ermöglichen mittlerweile punktuell den Anbau von frühreifenden Sorten wie Solaris, Regent oder Johanniter. Dennoch bleibt die Klimarisiko-Skala hoch: Spätfrostgefahr, Starkregen und hohe Luftfeuchtigkeit erschweren eine konstante Qualität.

Anbauflächen und Produktion: Strukturelle Unterschiede auf einen Blick

Ein Blick auf die verfügbaren Flächen und die betriebliche Struktur zeigt die Spannbreite zwischen etabliertem Weinland und aufstrebender Experimentierzone.

Südsteiermark:

  • Gesamtfläche: rund 2.700 Hektar (davon etwa 85 % Weißweine)
  • Hauptsorten: Sauvignon Blanc, Welschriesling, Morillon
  • Betriebsstruktur: überwiegend Familienbetriebe mit Fokus auf Qualitätswein und Export
  • Jährliche Produktion: ca. 1,4 Mio. Liter in der DAC-Qualitätsschiene

NRW:

  • Rebfläche: ca. 40–60 Hektar (je nach Jahrgang und Neuzulassungen)
  • Hauptsorten: pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWIs), vereinzelt Spätburgunder
  • Betriebsstruktur: oft Nebenerwerb oder Forschungseinrichtungen
  • Produktion: stark schwankend, größtenteils regional vermarktet

Fazit: Die Südsteiermark operiert im internationalen Maßstab – NRW hingegen noch experimentell auf Nischenebene.

Vermarktung & Positionierung: Wie sich Regionen im Markt differenzieren

Südsteiermark:
Dank klarer Herkunftssystematik (DAC Südsteiermark), profilierter Lagenbezeichnungen und starkem Tourismusbezug gelingt es der Region, eine einprägsame Weinmarke zu etablieren. Premiumlinien wie „Ried Hochberg – Schwalbenhimmel“ vom Weingut Pongratz zeigen, wie Qualität und Herkunft erfolgreich vermarktet werden können. Die Exportquote liegt bei ca. 25 %, Tendenz steigend – insbesondere im DACH-Raum und Nordamerika.

NRW:
Die nordrhein-westfälischen Weine positionieren sich eher über Storytelling, Lokalbezug und Innovationscharakter. In der urbanen Direktvermarktung – etwa bei Events in Köln, Düsseldorf oder im Ruhrgebiet – punkten Winzer mit dem Label „Wein von hier“. Das erzeugt Aufmerksamkeit, doch fehlt vielfach noch die qualitative und kommunikative Tiefe, um ein langfristig tragfähiges Profil zu schaffen.

Profil regionaler Spitzenwinzer: Drei prägende Namen je Region

Top 3-Winzer aus der Südsteiermark

  1. Markus Pongratz (Weingut Pongratz, Kranachberg – Gamlitz)
    Markus Pongratz zählt zu den prägenden Persönlichkeiten im südsteirischen Qualitätsweinbau. Sein „Schwalbenhimmel Sauvignon Blanc Ried Hochberg“ steht exemplarisch für das enorme Potenzial der Einzellagen im Sausal. Die Kombination aus präziser Lageninterpretation, moderner Kellertechnik und biodynamischem Anspruch macht seine Weine zu Aushängeschildern der Region.
  2. Manfred Tement (Weingut Tement, Zieregg/Sulztal)
    Das Familienweingut Tement ist international eines der bekanntesten Häuser Österreichs. Mit Lagen wie „Zieregg“ setzt es Maßstäbe für Sauvignon Blanc in Europa. Die klare Herkunftsphilosophie, die kompromisslose Qualitätsarbeit und das nachhaltige Weingartenmanagement festigen die Stellung als Leuchtturmbetrieb der Südsteiermark.
  3. Armin Tschermonegg (Weingut Tschermonegg, Glanz an der Weinstraße)
    Seit Jahren konstant in der steirischen Qualitätsspitze, steht das Weingut Tschermonegg für Eleganz und Balance. Der Fokus liegt auf fruchtbetonten, terroirgeprägten Weißweinen mit Lagerpotenzial – besonders die Lagenweine vom Ciringa-Rücken sind ein Beleg für nachhaltigen, selektiven Weinbau.

Herausragende Winzer aus Nordrhein-Westfalen

  1. Sebastian Weingart (Weingut Weingart, Boppard/Rheinland-Pfalz mit Ablegern in NRW)
    Obwohl sein Hauptbetrieb im Mittelrheintal liegt, bewirtschaftet Sebastian Weingart auch Rebflächen in NRW und bringt so Know-how und Struktur in die aufkeimende Szene. Er gilt als Impulsgeber für professionellen Weinbau im Grenzbereich zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
  2. Johannes Rebscher (Urban Winery Rebscher, Köln)
    Mitten im Ballungsraum realisiert Rebscher das Konzept „Weinbau in der Stadt“. Auf kleinem Raum produziert er PIWI-Weine wie Johanniter und Souvignier Gris – reduziert, handgelesen, spontanvergoren. Sein Ansatz vereint Forschung, Regionalstolz und urbane Direktvermarktung.
  3. Weingut Kloster Kamp (Kamp-Lintfort)
    In Kooperation mit landwirtschaftlichen Bildungsinitiativen entstehen hier innovative Weinprojekte im nördlichen Rheinland. Der Fokus liegt auf Bildungsarbeit, nachhaltiger Anbautechnik und sensorisch stabilen Weinen mit niedrigem Eingriffslevel – ein Modellbetrieb für die Entwicklung neuer Weinbauflächen im urbanen Raum.

Technologische und ökologische Perspektiven: Wer investiert wie in Nachhaltigkeit?

Südsteiermark:
Die Betriebe setzen zunehmend auf nachhaltige Bewirtschaftung, Biodiversität und energieeffiziente Vinifikation. Maßnahmen wie Photovoltaikanlagen auf Weingütern, Biodynamik in Einzellagen und CO₂-neutrale Logistiksysteme (etwa mit E-Traktoren) finden Verbreitung. Viele Betriebe sind Mitglied bei „Nachhaltig Austria“ oder streben entsprechende Zertifizierungen an.

NRW:
Hier ist Nachhaltigkeit Teil des Narrativs – oft mit akademischem Bezug. Universitäten wie Geisenheim oder Bonn betreiben Versuchsflächen, um klimaresiliente Anbaumethoden zu erforschen. Einige Pilotbetriebe setzen gezielt auf PIWIs, um Pflanzenschutzaufwand zu minimieren. Der Innovationsdruck wird dabei oft durch Förderprogramme abgefedert.

Weintourismus & Wirtschaftsimpulse: Wer profitiert stärker?

Südsteiermark:
Der Weintourismus ist ein tragender Wirtschaftszweig der Region. Buschenschenken, Weinwanderwege, Genussveranstaltungen und architektonisch hochwertige Weingüter schaffen ein stimmiges Gesamterlebnis. Der direkte Verkauf am Hof stellt für viele Betriebe den größten Absatzkanal dar. Kooperationen mit Gastronomie und Hotellerie steigern die Wertschöpfung entlang der touristischen Kette.

NRW:
Weintourismus steckt hier in den Kinderschuhen. Erste Ansätze finden sich in Events wie „Wein am Rhein“ oder urbanen Weinführungen in Köln. Perspektivisch könnten sich grüne Infrastrukturprojekte (z. B. Weinlehrpfade, vertikale Weinreben in Stadtzentren) als weintouristische Mikro-Attraktionen etablieren. Noch fehlt jedoch eine koordinierte Regionalstrategie.

Zukunftsausblick: Potenziale, Risiken und strategische Handlungsempfehlungen

Südsteiermark:
Die Region steht vor der Herausforderung, ihren internationalen Qualitätsanspruch trotz Klimastress, steigender Produktionskosten und Nachwuchsmangel zu halten. Investitionen in Wassermanagement, Humuserhalt und internationale Kommunikation sind essenziell. Gleichzeitig könnte ein vorsichtiger Rebsortenwandel – etwa hin zu spät reifenden Sorten – zur Resilienz beitragen.

NRW:
Die Chancen für Weinbau im nördlichsten Bundesland sind eng mit Forschung, Fördermitteln und lokaler Akzeptanz verknüpft. Erfolgsfaktoren könnten sein:

  • gezielte Sortenwahl (PIWIs, Hybridreben)
  • vertikale und urbane Anbauformen
  • starker Direktvertrieb in urbanen Milieus
  • Storytelling über Innovation, Nachhaltigkeit und Regionalstolz

Empfohlene Maßnahmen für NRW:

  1. Aufbau einer regionalen Herkunftsmarke
  2. Kooperation mit Gastronomie und Einzelhandel
  3. Bildung weinbaulicher Kompetenzzentren in Städten

Zusammenfassung

Der Vergleich zwischen Südsteiermark und Nordrhein-Westfalen offenbart mehr als nur klimatische Unterschiede. Es geht um Reifegrade in Produktion, Marketing und Identität. Während die Südsteiermark ein ausgereiftes Weinökosystem mit internationalem Anspruch darstellt, ist NRW eine Pionierregion mit viel Innovationspotenzial – vorausgesetzt, strategische Entscheidungen und Förderstrukturen greifen ineinander.

Passende Artikel:

Ausflugsziele Ruhrgebiet mit Kindern: 15 überraschende Erlebnisse

Was ist los in NRW am Wochenende? Die spannendsten Events, Märkte & Ausflugstipps

Kunst- und Handwerkermarkt Recklinghausen: Einen Besuch wert?

Mittelaltermarkt Recklinghausen: Ein tolles Erlebnis für die ganze Familie?

Weiterempfehlen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert